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Aerodynamisches Fliegen – Impulserhaltung/3. Newtonsches Axiom als entscheidendes Prinzip – 3 Einführungsexperimente

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Aerodynamisches Fliegen – Impulserhaltung/3. Newtonsches Axiom als entscheidendes Prinzip – 3 Einführungsexperimente
Flie Übersichtsbild Ausschnitt.png
Kurzbeschreibung
Drei Einführungsversuche zum Thema "Fliegen als Anwendungsbereich des Wechselwirkungsgesetzes bzw. der Impulserhaltung"
Kategorien
Mechanik
Einordnung in den Lehrplan
Geeignet für: Sek.I
Basiskonzept: Wechselwirkung
Sonstiges
Durchführungsform Demoexperiment
Anzahl Experimente in dieser Unterkategorie 3
Anspruch des Aufbaus leicht
Informationen
Name: Rebecca Drutschmann
Kontakt: @
Uni: Humboldt-Universität zu Berlin
Betreuer*in: Tobias Ludwig
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Für die Aerodynamik eines Flugzeugs stehen sich in der Fachwelt verschiedene Erklärungen gegenüber, die für anspruchsvolle strömungsphysikalische Beobachtungen und Modellierungen zur Wirbelbildung unterschiedliche Reduktionen und Schlussfolgerungen vorschlagen. Dies macht das Unterrichten der Flugphysik in der Sekundarstufe I zu einer Herausforderung, der auszuweichen das Potenzial dieses Themas verschenkt. Hier sollen nun drei kleine Versuche vorgestellt werden, anhand derer das Phänomen als Anwendungsfall des Wechselwirkungsgesetzes bzw. der Impulserhaltung plausibel eingeführt werden kann, um später auf einer soliden konzeptuellen Grundlage dessen Komplexität erörtern zu können.


Didaktischer Teil

Das Thema Fliegen stößt bei vielen Schülerinnen und Schülern auf große Begeisterung, beobachten sowohl Weltner[1] (2000, S. 340) als auch Hahne[2] (1988, S. 18). Dieser für das Schulfach Physik eher ungewöhnliche Interessenvorschuss steht unglücklicherweise weitreichenden Wissenslücken bei den Lehrkräften gegenüber, die sich einerseits in der physikalischen Multikausalität des Phänomens, andererseits in der bestenfalls beiläufigen Behandlung der Aerodynamik während des Studiums begründen, da die physikalische Durchdringung längst abgeschlossen und die Aerodynamik zu einer ingenieurstechnischen Angelegenheit erklärt wurde (Weltner (2000), S. 340). Darin mag eine bis in den universitären Kontext verbreitete Fehlvorstellung zum Flug eines Flugzeugs ihre Ursache haben, die hier kurz skizziert sei: „Durch die spezifische Form einer Tragfläche ist der Weg der Luft über die Tragfläche länger als unten entlang. Deshalb strömt die Luft über der Tragfläche schneller. Mit Bernoulli entsteht ein Unterdruck und die Tragfläche wird nach oben gesogen.“

Diese Erklärung ist nicht nur verkürzt, sondern falsch, stellt Terry Day[3] (2008, S. 1) klar. Sie kann schon mit dem Hinweis abgetan werden, dass Weglänge keine Kraft erzeugt - davon abgesehen, dass Flüge mit symmetrischen Profilen wie auch Rückenflüge möglich sind. Tatsächlich scheiden sich die Geister, wenn es um eine schlüssige Erklärung des Fliegens geht. Einigkeit herrscht lediglich darüber, dass in den entstehenden Wirbeln an der Tragfläche die grundlegende Möglichkeitsbedingung des Flugzeugflugs liegt. Doch während Demtröder in Analogie zum umströmten Zylinder den Auftrieb weiterhin unter Anwendung der Bernoulli-Gleichung erklärt (Demtröder[4] (2006), S. 251-254), verwirft der Strömungsingenieur Day jegliche Relevanz von Bernoulli und Coanda für die Aerodynamik (Day (2008), S. 1). Stattdessen wird Newtons 3. Axiom, actio=reactio, zwischen dem an der Tragfläche entstehenden Abwind (nach unten umgelenkter Luft) und der Tragfläche selbst als grundlegendes Prinzip für das Verständnis des Aufwinds herausgestellt (vgl. Day (2008), S. 13). Auch Weltner bezieht sich auf Newtons 3. Axiom, wenn er die Behandlung der Flugphysik als ein Rückstoßphänomen empfiehlt, um sie so nicht „als Fremdkörper am Rande der übrigen Physik“ stehen zu lassen (Weltner (2000), S. 340). Der Einwand von Marek Mandel im Artikel zur Messung des dynamischen Auftriebs mit der Einkomponentenwaage, die Ursache für die Ablenkung der Luft bliebe bei dieser Herangehensweise ungeklärt, ist nicht konsistent: Die Behandlung komplizierter Wirbelströmungen in drei Dimensionen, wie sie zur Durchdringung der Zusammenhänge notwendig wäre, kommt in keinem Fall für die Sekundarstufe I infrage. Außerdem können Schülerinnen und Schüler im Rahmen der hier vorgestellten Versuche die Luftströmung tatsächlich beobachten, deren Beeinflussung durch eine Tragfläche intuitiv auch plausibel erscheint, wenn sie in ihren Gründen auch nicht vollständig erfasst wird. Eine Einführung der Flugphysik als Geltungsbereich des 3. Newtonschen Axioms ist daher sicherlich ein sinnvolles Unterfangen, wobei jedoch die Uneinigkeit der physikalischen Fachwelt und die Eigenart des Fliegens als durch und durch reales und daher multikausales Problem m.E. nicht unter den Teppich gekehrt werden sollte, sondern zu einem späteren Zeitpunkt Anlass geben kann, über die Grenzen der physikalischen Isolierung von Phänomenen und den Hypothesencharakter physikalischer Theorien zu reflektieren. Weshalb in den hier vorgestellten Einführungselementen nicht das Newtonsche Wechselwirkungsgesetz, sondern die Impulsbetrachtung (die mit ersterem über die Kraft als zeitliche Impulsänderung in engem Zusammenhang steht) als erkenntnisstiftend gesetzt wird, ist praktischen Erwägungen (und auch persönlichem Geschmack) geschuldet: Anstatt den entscheidenden Moment der Kraftwirkung beobachten und analysieren zu müssen, können die Zustände des Systems vor und nach diesem Moment verglichen und über Impulssummen notwendige Schlussfolgerungen gezogen werden. Zudem stellt der Kraftbegriff Schülerinnen und Schüler in seiner Abstraktheit möglicherweise vor einige Vorstellungsprobleme. Impulse dagegen sind m.E. über die Geschwindigkeit eines massebehafteten Objekts intuitiver zugänglich – so sie denn im Unterricht thematisiert wurden. Da im Berliner RLP (2006/2007)[5] Impulserhaltung nur optional, Kräfte mit dem Basiskonzept Wechselwirkung aber obligatorisch behandelt werden, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass diese kleine Versuchsreihe auch an eine solche Unterrichtseinheit unter Anpassung der physikalischen Auswertung angegliedert werden kann, zumal auch hier der Moment der Impulsänderung nicht völlig außer Acht gelassen wird.

Besondere Emphase lag in der Zusammenstellung der Experimente und in den Auswertungen auf zwei typischen Problemen bei Versuchen zur Flugphysik: Erstens ist Luft nicht sichtbar und ihr Verhalten kann deshalb nicht direkt visuell verfolgt werden. Zweitens findet die Beobachtung aus experimentiertechnischen Gründen meist vom Standpunkt der Tragfläche statt, was, wie Weltner (Weltner (2000), S. 348) betont, für die Schülerinnen und Schüler eine eher ungewohnte Perspektive ist und besondere Beachtung finden sollte.

Versuchsanleitung

Der aerodynamische Auftrieb, insbesondere der Spezialfall „Flug eines Flugzeugs“ soll in einem experimentellen Dreischritt Schülerinnen und Schülern als Effekt des Prinzips 'Impulserhaltung' erstmals zugänglich gemacht werden. Der Schwerpunkt liegt dabei vornehmlich auf potenziellen Orientierungsschwierigkeiten durch nötige Modellierungen und der Konzeptualisierung als Wechselwirkung zwischen dem Flugobjekt und seinem umgebenden Medium.

In der Versuchsbeschreibung wird stets eine basale Form des Aufbaus zugrunde gelegt. Durchaus notwendige Verbesserungen und Erweiterungen finden sich je im Abschnitt Probleme und Lösungsansätze.

Schritt 1: Der Propellerwagen

Ziel des Versuchs

Ein Propellerwagen bietet die Möglichkeit, mit denkbar einfachen, da eindimensionalen Betrachtungen die Impulserhaltung im Luft-Objekt-System als Ursache der Beschleunigung eines Körpers einzuführen, um hernach in komplizierteren Aufbauten auf diese Grundsteinlegung zurückzugreifen. Vorerst kann hier die Notwendigkeit eines Bezugssystemwechsels vermieden werden: Der Wagen bewegt sich.


Material und Aufbau

Dieser Aufbau ist, einem Handversuch entsprechend, schlicht. Folgende Materialien werden benötigt:

1 Tisch waagerecht tariert, ausreichend hoch
1-3 Geländer um den Absturz des Wagens zu verhindern; hier bestehend aus 1 Stativstange (72cm) 2 Leybold Muffen, 2 Stativstangen (17cm), 2 Tischmuffen
1 Propellerwagen hier Fan Cart von PASCO scientific (Nr. ME-9485); es kann auch ein ähnliches Gerät verwendet oder gefertigt werden, das schmale Räder mit geringem Rollwiderstand und einen ebenso geringen Widerstand in den Achsenlagerungen hat.
Abb. 1: Versuchsaufbau "Propellerwagen", Draufsicht

Dass der Tisch für alle sichtbar platziert werden sollte, versteht sich von selbst. Vorsorglich können sowohl links, rechts, als auch hinten am Tisch Geländer angebracht werden, an der vorderen Tischkante würden sie den Blick auf den Wagen verstellen. Am hier verwendeten Propellerwagen von PASCO werde der Winkel des Propellers zur zugelassenen Fahrtrichtung auf 0° gerichtet, generell ist darauf zu achten, das Flügelrad senkrecht zur Fahrtrichtung zu stellen, um eine maximale Wirksamkeit der Impulsänderung der Luft zu erzielen (vgl. Abb.1). Bei Kommentaren des oder der Durchführenden muss die seitenverkehrte Betrachtung des Publikums berücksichtigt werden.

Eine Auswertung der Beobachtungen mit dem Publikum im begleitenden Zwiegespräch bietet sich an, um nachfolgende Experimentierschritte schlüssig zu motivieren.

Durchführung, Beobachtungen, Auswertung

Aktion Beobachtung Auswertung
Der Propellerwagen wird auf den Tisch gestellt. Es ist keine Bewegung im System aus Wagen, Tisch und 'der Umgebung' auszumachen. Der (translative) Gesamtimpuls des Systems ist 0.
Der Propeller wird eingeschaltet (Einstellung: LOW). Die Flügel rotieren. Der Wagen bewegt sich (translativ) in positive x-Richtung. Sonst bewegt sich scheinbar nichts (translativ). Es scheint, dass der (translative) Gesamtimpuls ist.

Hier ist es nötig, auf die Paradoxie dieser Beobachtung im Sinne der Impulserhaltung hinzuweisen, da sein sollte, aber während ist, zu sein scheint. Man muss vermuten, dass die Summe ist aus dem Impuls des Wagens und einem zweiten, 'unsichtbaren' Impuls .

Aktion Beobachtung Auswertung
Der angeschaltete Propellerwagen wird den Zuschauenden vorsichtig in die Nähe des Gesichts gehalten (Achtung bei langen Haaren!) Die Zuschauenden spüren einen Wind. Der Wind weht immer vom Propeller weg. (Richtung merken!) Wind ist bewegte Luft. Das heißt, diese Luft hat eine Geschwindigkeit und damit auch einen Impuls .
Der Propellerwagen wird noch einmal auf dem Tisch abgestellt und angeschaltet. Wieder kann nur eine Bewegung des Wagens beobachtet werden, die aber als der zuvor gespürten Windrichtung (relativ zum Wagen) entgegengesetzt erkannt wird. Es liegt nahe, dass , dass Luft also der Wechselwirkungspartner für den Wagen ist und damit , weshalb, falls die Impulserhaltung gegeben ist.

Ob der Impuls, den der Propellerwagen der Luft versetzt, tatsächlich das Entgegengesetzte des Impulses ist, den die Luft dem Wagen versetzt, kann mithilfe einer Rechnung überprüft werden. Dabei vergleicht man die Impulsdifferenzen und die beide in der Zeit der Überquerung des Tischs erfahren. Die Anfangsimpulse sind null. Der Endimpuls des Wagens ist mit . Die Impulsdifferenz der Luft lässt sich aus dem sogenannten Massendurchsatz des Propellers ermitteln (Weltner (2000), S. 342f.), sie ist , wo die Dichte der Luft, der Strahlquerschnitt des Propellers und die Strahlgeschwindigkeit eingehen. Letztere kann mit einer Drucksonde abgenommen werden. Es wurde hier eine Probemessung durchgeführt, sämtliche relevanten Werte inklusive Messunsicherheiten sind in untenstehender Tabelle aufgeführt.

(Zur Aufnahme dieser Werte wurden eine Digitalwaage (Soehnle Siena Artikelnr. 65840), ein Maßband (Meterex, 2m), eine Sportstoppuhr (Hitrax Timer) und ein Feinmanometer mit Prandtlscher Drucksonde (Leybold Didactic, 37310/ 37313) verwendet. Zeit und Geschwindigkeit der Luft wurden sechsmal gemessen und die Standardabweichung berechnet. Der Dichtewert wurde nach Schulbedingungen aus dem Tafelwerk[6] entnommen (2003, S. 99), gilt allerdings für 0°C, weshalb faktisch etwas geringer sein sollte. Masse, Zeit und Windgeschwindigkeit wurden je sechsmal bestimmt und die Standardabweichung ermittelt. Für die Weglänge wurde ein Größtfehler von 1cm abgeschätzt, um möglichen Verschiebungen Rechnung zu tragen. Die Unsicherheit des Strahlquerschnitts und der Impulsdifferenzen ergeben sich aus der Anwendung der Gaußschen Formel für Fehlerfortpflanzung.)

Obwohl die Ergebnisse für die Beträge der Impulsdifferenzen sich im Fehlerbereich überschneiden und es mit Reibungseffekten, Dichteungenauigkeiten und Verlusten durch Verwirbelung auch durchaus erklärbar ist, dass beinahe doppelt so groß ist wie , sind die errechneten Werte nicht besonders beeindruckend und bedürfen einigen guten Willens, um vor Schülerinnen und Schülern als Bestätigung der Impulserhaltung bestehen zu können.

Ob diese Rechnung im Unterricht durchgeführt wird, sollte daher wohl überlegt sein. Kritische Nachfragen vonseiten der Schülerinnen und Schüler könnten ein guter Anlass sein. Andernfalls bläht sie den qualitativ angelegten Einführungsversuch unnötig auf, zumal sie einige Messungen sowie ein Verständnis für die Größe 'Massendurchsatz' voraussetzt.
Erfahren werden sollte von den Schülerinnen und Schülern, dass die Impulserhaltung auch bei einer Wechselwirkung mit Luft Klärungspotenzial bietet und dass eine gezielte Impulsänderung der Luft genutzt werden kann, um Objekte eine entgegengesetzte Impulsänderung erfahren zu lassen, sie also in Bewegung zu versetzen.

Probleme und Lösungsansätze

Abb. 2: Präparierter Propellerwagen

Eine Tücke dieses Versuchs ist offenkundig: Angekündigt als Einstieg in das Thema 'Fliegen und Flugzeuge' kann er nur enttäuschen: nichts fliegt, auch die Analogie vom (Hub-)Schrauber zum Flugzeug ist nicht sofort einsichtig. Es wäre also angeraten, den Versuch ohne eine solche Ankündigung regulär in einer Einheit zur Impulserhaltung durchzuführen, dann das Thema mit einer spektakuläreren Flugdemonstration (z.B. mit einem Modellflugzeug) zu eröffnen, auf den Versuch als ersten Verständnisansatz zu zurückzugreifen, ihn gegebenenfalls zu wiederholen und schließlich fortzuschreiten zum hier folgenden kleinen Experiment. Eine weitere Irritation könnte in der Rotation des Propellers liegen, wenn konstatiert wird, es bewege sich scheinbar 'nichts, außer dem Wagen'. Im vorherigen Unterricht muss eine saubere Differenzierung zwischen Impuls und Drehimpuls (respektive zwischen Translation und Rotation) stattgefunden haben, um ein Aufrechnen beider in der Summe der Bewegungen (und damit der Impulse) vorzubeugen. Davon abgesehen können die rotierenden Flugblätter aber als Indiz für einen unsichtbaren Wechselwirkungspartner, die Luft, dienen und auf die richtigen Überlegungen führen.
Schließlich mag es im Eifer des Gefechts schwer fallen, die Bewegungsrichtung der Luft relativ zum Propellerwagen, nachdem sie einmal erfühlt wurde, gegenwärtig zu halten. Um diese Hürde auszuräumen, können entsprechende Pfeile direkt auf dem Wagen angebracht werden (vgl. Abb.2).

Schritt 2: Der Segelwagen

Ziel des Versuchs

Nachdem die Impulserhaltung als relevantes Prinzip und der Impuls der Luft als Summand in der Impulsgleichung eingeführt wurden, soll anhand des Segelwagens ein erstes Verständnis dafür angeregt werden, wie Flugzeuge durch eine horizontale Geschwindigkeit eine Impulsänderung in vertikale Richtung bewirken. Die relevanten Bewegungen finden nun also in zwei Dimensionen statt. Eine anfängliche Verblüffung angesichts dieses Effekts kann Problembewusstsein schaffen, Interesse wecken und eine bessere Erinnerung der Erklärung leisten.

Material und Aufbau

Abb. 3: Aufbau und erste Überlegungen zum Segelwagen. Erläuterungen zur Skizze im Abschnitt "Auswertung".

Wiederum wird für die Umsetzung nicht viel benötigt:

1 Wägelchen hier Mess- und Experimentierwagen von PHYWE (Nr. 11060.00); wichtig sind abermals schmale Räder und eine Lagerung mit geringem Widerstand
1 A4-Blatt Tonkarton gut sichtbare Farben eignen sich besonders
1 Föhn hier Rowenta, 1600W

Aus der Pappe wird ein Segel geschnitten und diagonal auf dem Wagen fixiert (s. Abb.3). Der Versuch wurde auf dem Boden durchgeführt, um dem Publikum die (für die Zielstellung interessante) Draufsicht zu ermöglichen.

Durchführung und Beobachtungen

Der Segelwagen wird mit dem Föhn wie abgebildet von der Seite angeblasen. Dabei ist darauf zu achten, den Föhn nicht gleich auf das Segel zu halten, da es beim Anschalten zu Turbulenzen kommen kann. In einer ersten naiven Vorstellung sollte die anströmende Luft den Wagen 'wegschieben'. Stattdessen kann beobachtet werden, dass er sich senkrecht dazu in Bewegung setzt und dabei schneller wird. Für dieses Resultat muss eventuell ein wenig geübt werden, da eine genaue Ausrichtung des Föhns aus der lockeren Hand, während die Bewegung des Wagens mitverfolgt werden muss, Feingefühl erfordert und der Winkel des ausgestoßenen Luftstroms zum Griff bei jedem Gerät unterschiedlich ausfällt.

Auswertung

Abb. 4: Berechnung der resultierenden Geschwindigkeit von Wagen und Luft.

Die physikalische Tücke dieses kurzen Versuchs sollte nicht unterschätzt werden. Man könnte geneigt sein, die Situation mit dem Stoß einer Kugel (eines Luftteilchen) gegen eine Wand (das Segel) zu modellieren, deren Einfallswinkel gleich dem Ausfallswinkel zum Lot ist (vgl. Abb.3). Der Geschwindigkeitsbetrag des Luftteilchens nach dem Stoß muss geringer sein, da bei einem sich nun bewegenden Wagen andernfalls die Energieerhaltung verletzt wäre. Die Impuls- und Energiesummen vor und nach dem Stoß können aufgestellt werden und daraus Richtung und Betrag der resultierenden Wagengeschwindigkeit sowie das Tempo des Luftteilchens nach dem Stoß berechnet werden (s. Abb.4). Diese Rechnung ist handwerklich nicht anspruchsvoll, aber aufgrund ihrer Unübersichtlichkeit für die Sekundarstufe I nicht zu empfehlen und dem Verständnis keinesfalls förderlich! Denn tatsächlich erweist sich die Modellierung als unangemessen. Sie prognostiziert eine enorme Geschwindigkeitskomponente des Wagens in y-Richtung (also mit dem Wind), die sich in den Beobachtungen nicht bestätigt. Tatsächlich empfiehlt sich eine Analyse mit dem Instrumentarium der Strömungslehre (Abb.5):

Abb. 5: Skizze des Luftstroms am Segelwagen.

Der Luftstrom des Föhns in positive y-Richtung wird am Segel abgelenkt und erhält damit einen Geschwindigkeitsbeitrag in negative x-Richtung. Gleichzeitig muss die Luft dem Wagen eine Impulsänderung in positive Richtung versetzen – er gerät in Bewegung. Da immer neue Luft anströmt (also Masse durchgesetzt wird), ändert sich der Impuls ständig: Der Wagen beschleunigt (trotz Rollreibung) positiv. Auch diese Modellierung sagt eine y-Komponente der Wagengeschwindigkeit voraus, die allerdings wesentlich geringer ist und je nach Anstellwinkel variiert. Durch die Stellung der Räder ist diese Bewegungsrichtung des Wagen allerdings etwas gesperrt, ein Minimalwert der Impulsänderung (also der Kraft) wird benötigt, um sie umzustellen, weshalb eventuell gar kein 'Abbiegen' beobachtet werden kann.

Probleme und Lösungsansätze

Abb. 6: Umgestalteter Segelwagen.

Unbedingt notwendig ist das Analogisieren des Versuchs mit den Vorgängen beim aerodynamischen Flugzeugflug, da er andernfalls für die Erschließung dieses Phänomens im Unterricht ganz und gar unfruchtbar bleibt. Es erfordert allerdings viel Konzentration, die entscheidenden Parameter der Situation gedanklich umzugestalten, sodass eine Übertragung der Beobachtungen die Erkenntnis ermöglicht, dass gerade die Vorwärtsgeschwindigkeit des Flugzeugs an den Tragflächen einen Effekt erzeugt, der es nach oben beschleunigt. Die Umgestaltung des Wagens als Flugzeug kann die Beobachtung entlasten und die Übertragung erleichtern (vgl. Abb.6). Einer sorgfältigen Reflexion bedarf außerdem die Perspektive, aus der die nachgestellte Flugzeugsituation betrachtet wird: Der oder die Beobachtende befände sich in einem Bezugssystem, das sich mit der gleichen Geschwindigkeit wie das Flugzeug vorwärts bewegt (d.h. nicht die horizontale Bewegung des Flugzeugs, sondern ein Gegenwind aus dem Föhn wird erfahren). Der Beobachtungspunkt vollzieht jedoch keine Aufwärtsbewegung, er, verharrt oder besser: er fällt, während die Impulsänderung an den Tragflächen der Gravitation entgegenwirkt und das Flugzeug weniger schnell fallen, schweben oder steigen lässt. Die Wirkungslosigkeit der Schwerkraft in einem horizontalen Versuchsaufbau erschwert ebenfalls die Analogisierung mit einer Flugsituation, in der es ja gerade auf deren Überwindung ankommt. Dieser Versuch sollte also wohl überlegt eingeleitet, durchgeführt und ausgewertet werden, um unerwünschte Irritationen zu vermeiden.

Schritt 3: Die Fadensonde

Ziel des Versuchs

Der Segelwagen hat Gelegenheit geboten, die Richtungsänderung eines Objekts mithilfe eines Segels respektive einer Tragfläche zu beobachten und die These aufzustellen, dass diese Richtungsänderung mit der Umleitung der anströmenden Luft hervorgerufen wird. Ob die Luft, die ein Flugzeug durchfliegt, an den Tragflächen tatsächlich nach unten umgelenkt wird, gilt es mithilfe der Fadensonde zu überprüfen, die dem bisher unsichtbaren Luftstrom zur visueller Wahrnehmbarkeit verhilft.

Material und Aufbau

1 Gebläse hier Leybold Didactic Saug- und Druckgebläse (373041)
1 Tragflächenmodell mit geeigneter Halterung hier aus dem Messzubehör 2 zum Leybold Didactic Windkanal (37308); die Halterung besteht aus 1 Stativfuß, zwei Stangen (ca. 50cm und ca. 20cm), 4 Muffen verschiedener Formate
1 Fadensonde Material zur Herstellung: 1 Stricknadel (ca. 35cm), Wolle dunkler Farbe (ca. 150cm), 1 Stopfen mit enger Bohrung, doppelseitiges Klebeband, Bastelkleber (Anleitung s.u.)
1 helle Platte hier eine weiß gestrichene Spanplatte, gehalten von zwei Sockeln

Eine Fadensonde ist leicht zu fertigen: Die Wolle wird in 6-7cm lange Abschnitte zerteilt und mit dem Bastelkleber in gleichmäßigen Abständen (ca. 1,5cm) an die Stricknadel geklebt. Diese muss fest im Stopfen stecken, der vor der Versuchsdurchführung mit doppelseitigem Klebeband auf dem Tisch fixiert wird, sodass die Sonde nicht kippt. Der genaue Aufbau ist den Abbildungen zu entnehmen. Man achte darauf, dass Gebläse, Tragfläche und Sonde auf einer Achse, nicht zu nah beieinander, stehen und die Tragfläche sich auf mittlerer Höhe des Gebläseausgangs befindet. Die weiße Platte dient der besseren Sichtbarkeit der Fadenausrichtung.

Durchführung und Beobachtungen

Abb. 7: Fadensonde im Luftstrom ohne Flügelprofil.
Abb. 8: Fadensonde im Luftstrom mit Flügelprofil.

Es empfiehlt sich, vor der Demonstration die geeignete Gebläsestufe auszutesten, bei der die Fäden nicht allzu sehr tanzen, aber trotzdem genügend reagieren, um die gewünschte Beobachtung zu ermöglichen. Zunächst wird der Luftstrom ohne die Tragfläche detektiert. Das Gebläse wird eingeschaltet und die Fäden beobachtet, die sich nach dem Wind ausrichten (vgl. Abb.7). Anschließend wird die Tragfläche dazwischen gestellt und abermals die Fadensonde beobachtet (vgl. Abb.8). Der Unterschied ist nicht immens, lässt sich in den Abbildungen aber feststellen und ist besonders beim Übergang vom Aufbau mit und ohne Tragfläche klar erkennbar. Das Vorgehen sollte daher einige Male wiederholt werden, um die Stellung der Fäden zu vergleichen. Ohne Tragfläche richten sich eher die Fäden der oberen zwei Drittel der Sonde waagerecht aus; mit Tragfläche jene der unteren zwei Drittel. In beiden Fällen hängen ca. 3 Randfäden (oben bzw. unten) herunter.

Auswertung

Aus dem Verhalten der Fadensonde lässt sich folgern: Tatsächlich scheint die Tragfläche den Luftstrom nach unten umzulenken.

Probleme und Lösungsansätze

Auch bei diesem Versuch wird der Vorgang aus einem unüblichen, wenn auch nicht allzu konstruierten Bezugssystem betrachtet, nämlich aus der Perspektive der Tragfläche. Es bedarf sicherlich einiger klärender Worte, um die Äquivalenz der Situationen 'Tragfläche bewegt sich, Luft ruht' und 'Tragfläche ruht, Luft bewegt sich' zu verdeutlichen.

Nun konnten die Schülerinnen und Schüler zwar im einen Versuch das Verhalten eines Objekts mit Segel/ Tragfläche im Luftstrom und im anderen dessen Ursache, die Umlenkung der Luft, beobachten, jedoch Ursache und Wirkung nie in ihrem Zusammenhang. Statt den Aufbau durch involvierte Waagen oder Kraftmesser zu verkomplizieren, kann er vereinfacht werden, um diesen Zusammenhang herzustellen: Die Tragfläche wird ersetzt durch durch ein Stück Pappe (ca. Din A6), das eine Schülerin oder ein Schüler mit der flachen Hand in den Luftstrom hält. Ganz klar kann hier ein Schub gespürt werden, Pappe und Hand werden zu einer Bewegung nach schräg oben veranlasst und wie an der Tragfläche, die Fadensonde zeigt es an, wird der Wind nach unten abgelenkt. Sowohl der Schub als auch der an der Fadensonde detektierte Verlauf des Luftstroms ändern sich spürbar bei einer Variation des Winkels, in dem die Pappe zum Wind steht. Hier bietet sich die Überleitung zu einer detaillierteren Betrachtung des Fliegens an: In Anschlussversuchen kann die Abhängigkeit des Auftriebs (der Impulsänderung nach oben) vom Anstellwinkel untersucht werden, Schülerinnen und Schüler können selbstständig die ingenieurstechnisch relevante Polare (die Kennlinie von Auftrieb und Luftwiderstand bei verschiedenen Winkeln) aufnehmen und den optimalen Anstellwinkel feststellen. In jedem Fall sollte eine vereinfachende Vorstellung, wie sie mittels dieser drei Einführungsdemonstrationen vermittelt wird, an geeigneter Stelle ihre Erweiterung finden und gerade auf die physikalische Komplexität des Fliegens hingewiesen werden.

Literatur

  1. Weltner, K. (2000): Physik des Fliegens, Strömungsphysik, Raketen, Satelliten. In: Handbuch des Physikunterrichts. Sekundarbereich I. Bd.2: Mechanik II: Hydro- und Aerostatik. Akustik, Kinematik, Dynamik. Flugphysik. Köln, S. 340-390.
  2. Hahne, K. (1988): Fliegen und Flugmodelle. Materialien zu einer Unterrichtsreihe. Marburg.
  3. Day, T. (2008): The Coanda Effect and Lift. In: New Fluid Technology. http://www.newfluidtechnology.com.au/wp-content/uploads/THE_COANDA_EFFECT_AND_LIFT.pdf. Abruf am 23.04.2016
  4. Demtröder, W (2006): Experimentalphysik I. Mechanik und Wärme. 4. Auflage. Berlin / Heidelberg
  5. Rahmenlehrplan für die Sekundarstufe 7-10. Physik. Hrsg. von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin. Berlin 2006/2007.
  6. Das große Tafelwerk interaktiv. Formelsammlung für die Sekundarstufen I und II. Hrsg. von Cornelsen Verlagsredaktion. Berlin 2003.
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