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Fadenpendel und Freier Fall

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Fadenpendel und Freier Fall
Versuchsaufbau

Versuchsaufbau

Kurzbeschreibung
Messung der Geschwindigkeit von aus gleicher Höhe frei fallenden bzw. herabschwingenden Körpern.
Kategorien
Mechanik
Einordnung in den Lehrplan
Geeignet für: alle Klassenstufen
Basiskonzept: Energie
Sonstiges
Durchführungsform beliebig
Anzahl Experimente in dieser Unterkategorie 1
Anspruch des Aufbaus leicht
Informationen
Name: Robby Büchner
Kontakt: @ E-Mail]
Uni: Humboldt-Universität zu Berlin
Betreuer*in: Dr. Franz Boczianowski
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Sowohl beim Fadenpendel, als auch beim Freien Fall wird potentielle in kinetische Energie umgewandelt. Durch den direkten Vergleich beider Versuche kann nicht nur Energieerhaltung und -umwandlung auf verschiedenen Niveaus wiederholt oder vertieft werden. Es wird gezeigt, dass die Fallgeschwindigkeit im Widerspruch zur intuitiven Annahme masse- und bahnunabhängig ist, d.h. nur von der Fallhöhe abhängt. Außerdem kann bei der Auswertung durch die Schüler selbst (mit Hilfe einer einfachen trigonometrischen Berechnung) das Verdrehen von Massestücken beim Freien Fall als Fehlerquelle quantitativ auf Plausibilität geprüft werden.


Didaktischer Teil

Abstrahiert man das Fadenpendel und den Freien Fall bis zur Gleichung , (wobei der Betrag der Geschwindigkeitsdifferenz, die Erdbeschleunigung und die Höhendifferenz sei), lassen sich beide Versuche nichtmehr unterscheiden. Intuitiv hängt die Endgeschwindigkeit aber von der Bahnform (vertikale Gerade bzw. Kreisbahn) und der Masse ab. Als Resultat dieses Versuches werden beide Alltagsvorstellungen falsifiziert. Nach Berlyne führt die Überraschung, dass die Beobachtung der Erwartung widerspricht, zu einem kognitiven Konflikt, der wiederum zum Lernen motiviert und so erst das Verständnis für die Gleichung ermöglicht. [1]
Zwei Merkmale dieses Versuches unterstützen den kognitiven Konflikt: Zum einen lässt der überschaubare Aufbau wenig Raum Spekulationen, die die Allgemeingültigkeit der Resultate in Frage stellen. Zum anderen kann sowohl die Herleitung der Gleichung aus der Energieerhaltung (siehe Auswertung), als auch eine teilweise quantitative Fehleranalyse ab der Klassenstufe 9/10 [2] (siehe Auswertung) von den Schüler_innen selbst durchgeführt werden. Nach Berlynes Motivationstheorie wird " durch wiederholte Erfolgserlebnisse in selbstständigem Informationssuchen und Problemlösen [...] bei Schülerinnen und Schülern ein dauerhaftes Interesse erzeugt" [1].
Dass die Unabhängigkeit des Freien Falls von der Masse nicht intuitiv gegeben ist, wurde durch die TIMMS-Studie 1997 gezeigt, wobei die zugehörige Frage von deutschen Schüler_innen im Durchschnitt nur zu 36% (in Leistungskursen zu 44%) korrekt beantwortet wurde. [3] Die intuitive Wegabhängigkeit der Geschwindigkeit, d.h. die falsche Annahme dass der Betrag der Geschwindigkeit nach Fall und Herabschwingen aus gleicher Höhe sich unterscheiden, wurde in der mir im begrenzten Zeitrahmen des Moduls zugänglichen Literatur nicht thematisiert. Dass dieser Teil des Versuchs, d.h. der Vergleich der Geschwindigkeiten beider Versuchsteile, nach meiner Beobachtung selbst Studenten (des Demonstrationspraktikums an der Humboldt-Universität zu Berlin im Wintersemester 2014/15) im ersten Moment überraschte, spricht jedoch dafür, dass der Vergleich durchaus seine Berechtigung hat. Sollten die Schüler_innen diesen Umstand bereits aus der Energieerhaltung schlussfolgern, stellt besagter Teil des Versuches ein Erfolgserlebnis dar, was nach obiger Aussage von Berlynes zumindest für Motivation sorgt.
Es ist darauf zu achten, dass der kognitive Konflikt nicht nur geplant ist, sondern von den Schüler_innen wirklich erfahren wird. Insbesondere Wiesner übt Kritik am diskontinuierlichen Lernweg, der durch den kognitiven Konflikt entsteht und viel Zeit in Anspruch nimmt [1]. Diese Zeit ist jedoch berechtigt, wenn man bedenkt, dass die Massenunabhängigkeit des Freien Falls ein konkretes Beispiel des 2. Newtonsche Axioms und die Wegunabhängigkeit der Arbeit in konservativen Kraftfeldern ebenfalls ein grundlegende physikalisches Prinzip ist. Da zumindest ersteres trotzdem von der Mehrheit der Schüler_innen falsch gedeutet [3] wird, sollte insbesondere bei der an den Schüler_innen ausgerichteten Hypothesenbildung und Auswertung nicht an Zeit gespart werden. Nach Wagenschein "sollte [man] sich als Lehrer [dabei] nicht an dem vorschnellen 'ich hab’s' des Klassenbesten orientieren, sondern eher an den Langsamen und Bedächtigen" [1] .

Versuchsanleitung

Die folgende Darstellung ist nur eine von vielen möglichen Variationen dieses Versuches. Natürlich kann und sollte man den Versuch an den jeweiligen Stand der Schüler und die Durchführungsform anpassen. Beispielsweise kann der Versuch nach Einführung der Energieerhaltung auch genutzt werden, um die daraus resultierende Gleichung zu überprüfen. Im Leistungskurs kann der Versuch (z.B. als Schülerexperiment) um Massestücke, die eine schiefe Ebene herabrollen, erweitert werden. Hier wird dann potentielle Energie nicht nur in kinetische, sondern auch in Rotationsenergie umgewandelt. Bedenken Schüler_innen dies nicht, sollte diese Erweiterung auch in einem straken Physikkurs der Oberstufe in einen kognitiven Konflikt (siehe Didaktischer Teil) münden. Folgendes wäre als Lehrerdemonstration in der Sek. I denkbar:


Aufbau

Der Aufbau ist rechts abgebildet, an Geräten benötigt man:

  • 1 lange Stativstange (ca. 0,5m)
  • 4 mittlere Stativstangen (ca. 20m), davon je eine mit Gewinde und eine mit Spitze
  • 2 kurze Stativstangen mit Gewinde (ca. 2cm)
  • 3 Stativstangen-Verbindungen
  • 1 Stativstangen-Fuß
  • 1 Tischklemme
  • 1 Büromaßstab
  • 1 Messschieber
  • 1 50g-Massestück (zylinderförmig)
  • 1 100g-Massestück (zylinderförmig)
  • ca. 0,8m Faden
  • 1 Lichtschranke aus PASCO Science Workshop 750
  • PASCO Science Workshop 750 Interface
  • PC mit Windows XP, Microsoft Excel und DataStudio-Software
  • Schale mit Tüchern (o.Ä. zum Dämpfen des Aufpralls)

(Natürlich kann man auch eine andere Lichtschranke, die Dunkelzeiten misst, und vorzugsweise OpenSource-Software [4] verwenden, aber an dieser Stelle wurden eine speziellen Angaben aus der Durchführung im Demopraktikum gefordert.)


Die Stativstangen sind mit den Verbindungen und der Tischklemme wie in den Abbildungen zu sehen aufzubauen. Zusätzlich ist eine Konstruktion notwendig, die im Folgenden als "Höhen-Hilfe" bezeichnet wird, und (hier) im rechten Teil des Bildes zu erkennen ist. Sie dient, dazu die Massestücke bei beiden Versuchsteilen an exakt der gleichen Höhe fallen bzw. pendeln zu lassen. Die Lichtschranke ist an der langen, vertikalen Stativstange zur Aufhängung des Fadenpendel so anzubringen, dass beide Massestücke durch sie hindurchschwingen und fallen können. Die beiden kurzen Stativstangen werden an die obere, horizontale, kurze Stativstange geschraubt, um die Fäden des Pendels in die Gewinde einzuklemmen. Der Querbalken der Höhen-Hilfe, sollte deutlich (bei den Werten unten wurden cm verwendet) über der Messhöhe der Lichtschranke liegen (Abbildung: Aufbau mit Fadenpendel in Ruhelage). Eine weiche Unterlage (Schale mit Tüchern) schont die Massestücke und verhindert den lauten Knall beim Aufprall, ist aber nicht zwingend notwendig.

Durchführung

Zuerst müssen zwei Konstanten des Aufbaus bestimmt werden:

  1. Messung der Höhendifferenz zwischen Messhöhe der Lichtschranke und der Spitze der Höhen-Hilfe mit einem Büromaßstab
  2. Messung des Durchmessers der Massestücke mit einem Messschieber.

Im Folgenden wird jedes Massestück mehrmals ausgelenkt (Abb. 1) bzw. gehoben (Abb. 2), bis dessen Schwerpunkt auf der Höhe der Höhen-Hilfe ist. Dann wird die Masse losgelassen und mittels der Lichtschranke die Durchschwing- bzw. Durchfallzeit gemessen.
Es ist auch möglich sich mit DataStudio direkt die Geschwindigkeiten der Massen ausgeben zu lassen, was der Sensor jedoch eigentlich misst ist die Verdunkelungszeit und diese kann von den Schüler_innen mit in die Geschwindigkeit umgerechnet werden.
Auslenkung des Fadenpendels Freier Fall
Abb. 1 Auslenkung des Fadenpendels.................................................. Abb. 2 Freier Fall.............................................................................................

Ergebnisse

  1. Höhendifferenz cm (Fehler entsteht durch durch Abschätzung des Schwerpunkts)
  2. Durchmesser cm (Fehler ist ein halber Skalenteil des Messgerätes)

Von DataStudio angezeigte Verdunkelungszeiten:

Tabelle 1: Abgelesene Verdunkelungszeiten
Versuchsnr.\ Zeit t [ms] Pendel 50g Pendel 100g Freier Fall 50g Freier Fall 100g
1 25,3 24,7 25,2 24,3
2 25,8 26,0 26,5 25,9
3 26,1 25,9 25,3 25,8
4 25,9 24,5 26,1 25,3
5 25,3 25,3 26,1 25,6
6 25,8 25,5 23,7 25,8

Mit einem Tabellenkalkulationsprogramm kann man sich für jede Messreihe den Mittelwert ausgeben lassen. Sollten die Schüler_innen aus dem Mathematikunterricht mit der Standardabweichung vertraut sein, so sollte auch diese bestimmt werden. Ansonsten ist mit den Schüler_innen trotzdem zu diskutieren, dass und wie weit die Werte gestreut sind. Der Fehler des Sensors ist im Übrigen deutlich kleiner als die oben angegebene Stellenzahl und kann deshalb großzügig mit 0,05 ms abgeschätzt werden.
Aus den oben genanten Messwerten ergeben sich folgende Mittelwerte und Standardabweichungen:

Tabelle 2: Gemittelte Verdunkelungszeiten
Zeit t [ms] Pendel 50g Pendel 100g Freier Fall 50g Freier Fall 100g
Mittelwert 25,7 25,3 25,0 25,5
Standardabweichung 0,3 0,6 1,0 0,6

Man sollte an dieser Stelle den Schüler_innen Zeit geben, sich Ursachen für die Streuung der Werte zu überlegen. Hauptursache für die Abweichungen sind die Abschätzung des Schwerpunktes und das Loslassen aus genau dieser Position ohne Rotation und Anfangsgeschwindigkeit. Wenn die Schüler_innen, die Verdrehung der Massestücke als eine der Fehlerquellen erkennen, können sie den Einfluss selbst quantitativ auf Plausibilität prüfen:
Sei die Verdrehung , der eigentliche Durchmesser und der scheinbare Durchmesser, wenn der Zylinder um gekippt ist.

Schätzt man das Verdrehen auf 10° ab, ergibt sich eine Abweichung von rund 1,5 %. Die Größenordnung stimmt mit der vorher betrachteten statistischen Unsicherheit überein, erklärt diese allein jedoch noch nicht. Die ungenaue Höhenabschätzung und die durch das Loslassen verursachte Anfangsgeschwindigkeit sind dafür mit verantwortlich. Berücksichtigt man vorerst nur den Fehler durch das Verdrehen, ergeben sich folgende Resultate:

Tabelle 3: Verdunkelungszeiten (Fehler durch Verdrehen der Massestücke)
Pendel 50g Pendel 100g Freier Fall 50g Freier Fall 100g
Zeit t [ms] 25,70,4 25,3 0,4 25,0 0,4 25,5 0,4

Da die einzelnen Intervalle sich überschneiden, kann ein gemeinsamer Mittelwert gebildet werden. Es ist bei der angegebenen Ungenauigkeit jedoch zu beachten, dass nur ein Teil der Abweichungen berücksichtigt wurde.
ms.


Die Fehler der Fallhöhe und des Durchmessers werden deshalb bei der folgenden Ermittlung eines theoretischen Referenzwertes berücksichtigt:

mit

Auswertung

In der Tabelle 3 (d.h. nur unter Berücksichtigung des Verdrehens der Massestücke) überschneiden sich bereits die Konfidenzintervalle der 4 Einzelversuche. Im Rahmen dieses Experiments kann man demzufolge die Verdunkelungszeiten, die zu den Geschwindigkeiten direkt proportional sind, nicht unterscheiden. Schüler_innen könnten vermuten, dass man mit einem genaueren Experiment Unterschiede feststellt, jedoch wird es ein solches Experiment nicht geben, da die Energie erhalten ist.
Nimmt man die Energieerhaltung als Ausgangspunkt und rechnet den Fehler durch die Abschätzung des Schwerpunktes und die Messung des Durchmessers der Massestücke mit ein, so erhält man, wie oben gezeigt aus den theoretischen Werten ein Konfidenzintervall, dass sich mit den Ergebnissen aus Tabelle 3 aller Teilversuche des Experiments überschneidet. Falls durch die Präzision dieses Versuches ausreichend deutlich wurde, dass zwischen den 4 Versuchsteilen im Prinzip kein Unterscheid besteht, kann nun geschlussfolgert werden, dass die Energieerhaltung gilt, da diese als Ausgangspunkt für die Herleitung einen mit den experimentellen Ergebnissen übereinstimmenden Referenziert vorhergesagt hat. Wurde die Energieerhaltung im ersten Teil als Annahme verwendet, ist ein Zirkelschluss an der Stelle zwingend zu vermeiden, der theoretisch bestimmte Wert, dient dann lediglich als Referenz für die experimentell bestimmten Werte.
In jedem Fall wird die Gleichung mit diesem Versuch analysiert, geprüft und auf zwei Experimente, die sich intuitiv deutlich voneinander unterscheiden, angewendet. Das impliziert, dass der Betrag der Geschwindigkeit eines Körpers, der um eine gewisse Höhendifferenz fällt bzw. herabschwingt, nur von dieser, nicht aber von der Masse oder Bahnform abhängig ist. Zudem wurde je nach Stand der Schüler die Energieerhaltung wiederholt oder vertieft.

Eine mögliche Veränderung, die den Versuch präziser gestalten würde, wäre die Fixierung der Massestücke in allen Versuchsteilen an ein und demselben Elektromagneten, der sich auf Knopfdruck abstellen lässt, sodass die Massestücke immer exakt von der selben Höhe starten und die Fehler durch das Loslassen (Rotation und Anfangsgeschwindigkeit ungleich 0) vermieden werden.


Literatur

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Kircher, E., Girwidz, R., Häusler, P. (Hrsg.) (2007). Physikdidaktik. Berlin Heidelberg: Springer, 181-186, 617-619.
  2. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin (Hrsg.) (2006). Rahmenlehrplan für die Sekundarstufe I. Mathematik.
  3. 3,0 3,1 Baumart, J., Bos, W., Klieme, E. et al. (1999). Testaufgaben zu TIMSS/III. 109.
  4. Dagiene, V.(2006). IFIP International Federation for Information Processing. Springer US, 210, 291–296.